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Unterabschnitte

Hume: ,,Of the Standard of Taste``

Zusammenfassung

In seinem Essay ,,Of the Standard of Taste`` geht Hume zunächst auf die Verschiedenheit der Geschmäcker ein. Wenn man über die eigene Nation hinausblickt, erscheint einem vieles barbarisch. Menschen anderer Herkunft finden unsere Sitten barbarisch. Kurz - jeder hält seinen Weg für den besten. Es gibt Übereinstimmungen im Großen und Ganzen, aber bei den Details gehen die Meinungen weit auseinander. Dies ist in der Wissenschaft oder bei Meinungen ganz anders: dort mag man in Details übereinstimmen, aber bei allgemeinen Thesen gibt es Streit.

Auch in der Ethik sind die Verschiedenheiten größer als auf den ersten Blick erscheinend: alle Helden sind tugendhaft, aber die Frage, ob Verschlagenheit oder Grausamkeit Tugenden sind, wird heute anders beantwortet als bei den alten Griechen. Um Übereinstimmung zu erlangen, wird nach einem Standard für Geschmack gesucht. Auch wenn man bekanntlich über Geschmack nicht streiten kann, stimmt man überein, wenn man sagt, dass man Shakespeares Werke nicht mit Harry Potter vergleichen kann - der Vergleich wäre so absurd wie der Vergleich von Teneriffa mit einem Maulwurfshügel. 3

Gelehrte Aufsätze beschäftigen sich mit ewigen, zeitlosen Ideen. Wie in allen Wissenschaften geht es um allgemeine Beobachtungen. Im Gegensatz dazu werden in der Dichtung Metaphern, Übertreibungen, ja Unwahrheiten benutzt - denn würde man alle diese Stilmittel weglassen, wäre es bloß langweiliges Geschwätz. Die Dichtung muss sich jedoch den Regeln der Kunst unterwerfen, und Stücke, die in manchen Qualitäten nicht den Ansprüchen genügen, entschädigen mit anderen.

Nur die wirklich guten Künstler, die Genies, halten sich über die Zeiten hinweg. Kurze Moden und Vorlieben sind kein Garant für andauernde Popularität. Es gibt also generelle Prinzipien, deren Anwendung immer bewunderte Werke erzeugt. Wenn sie nicht bewundert werden, liegt das an der Unzulänglichkeit des Betrachters. Vielen mangelt es an Feinfühligkeit, die manchmal verdeckten Qualitäten eines Kunstwerks zu entdecken. Nichts darf einem entgehen, und geübt werden muss diese Feinfühligkeit auch. Außerdem muss man sich das Kunstwerk öfter und unter verschiedenen Lichtverhältnissen ansehen. Um vergleichen zu können, muss man sich außerdem viele Kunstwerke ansehen. Die wichtigste Eigenschaft eines Kritikers ist allerdings, dass er Vorurteile ablegt, und versucht, sich in die Situation des intendierten Publikums zu versetzen. Auch Freund- oder Feindschaft mit dem Künstler sollte vergessen werden, selbst das eigene Individuum und dessen Umstände.

Jedes Kunstwerk hat einen bestimmten Zweck, und sollte anhand der Erfüllung dieses Zwecks beurteilt werden. Da ein Kunstwerk fast immer eine Kette von Propositionen und Ableitungen ist, sollte der Kritiker verständig und gebildet sein, dann erst kann er den wahren Geschmack erlangen. Daher gibt es nur wenige, die qualifiziert sind, etwas über Kunst zu sagen. Woran kann man diese Kenner erkennen? Darüber muss man diskutieren, allerdings aufgrund von Tatsachen, und der mit den besten Argumenten wird gewinnen. Aber es ist nicht so schwierig, den Standard des Geschmacks zu finden, da die besten Werke immer verehrt werden. Auch werden solche Kenner in der Gesellschaft immer erkannt werden, weil sie so verständig und anderen Menschen in ihren Fähigkeiten überlegen sind.

Es gibt aber immer noch Unterschiede in dem, was diese Kenner bevorzugen, einmal aufgrund persönlicher Vorlieben, und aufgrund von Alter und Herkunft. Allerdings sollte man nicht nur die eigenen Favoriten loben und alles andere verdammen. Die Sitten unserer eigenen Zeit beeinflussen außerdem unseren Geschmack, aber nur wegen unterschiedlicher Gebräuche ein Kunstwerk abzulehnen ist absurd. Die Unterschiede in moralischen Vorstellungen sind jedoch wieder ein Grund, manche Kunstwerke nicht zu genießen. Meinungen aber können von Generation zu Generation verschieden sein, und die religiösen Meinungen sind die am ehesten entschuldbaren.

Kutscheras Interpretation

Hume hält sehr viel von den Kennern, die den ,,standard of taste`` festlegen: sie sind gebildet, verständig, feinfühlig und vorurteilsfrei in der Beurteilung von Kunstwerken. Abgesehen von der Frage, ob es genug solche Kenner gibt, kritisiert Kutschera an Humes Auffassung des elitären Subjektivismus zunächst, dass auch die Kenner nicht immer einer Meinung sind. Sind sie es doch einmal, so stützen sie sich bei ihrem Urteil oft auf unterschiedliche Gründe.

Die wichtigste Kritik Kutscheras ist aber: woran erkennt man solche Kenner? Man muss selbst ein Kenner sein, um feststellen zu können, dass jemand anders all den Kriterien Humes genügt. Auch Empfehlungen anderer Kenner, quasi Zertifikate oder Diplome, wie Kutschera sie vorschlägt und selbst verwirft, reichen nicht - woher weiss man denn, dass die Ausstellenden qualifiziert genug sind? Laut Hume fällen Kenner richtige bzw. angemessene ästhetische Urteile - auch das bringt uns auf der Suche nach Kennern nicht weiter. Humes Vorschlag, dass man Kenner an ihren vielen guten und gesuchten Eigenschaften erkennt, ist mit der Diversifizierung und Institutionalisierung der Kunst hinfällig geworden: man muss sich auf einen bestimmten Bereich spezialisieren, um mehr als nur oberflächlich urteilen zu können, aber wer weiss denn schon, dass der Professor mit Spezialgebiet Küchenlieder des Barock ein hervorragendes Urteilsvermögen besitzt? An dieser Stelle war Hume meiner Meinung nach ein wenig idealistisch.



Fußnoten

... Maulwurfshügel.3
Essays, S. 231

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Britta Koch