Kutschera ist manchmal eigenwillig in der Auswahl und Interpretation von Textstellen, außerdem ist für ihn von vornherein klar, dass der naturalistische Objektivismus der einzig gültige Standpunkt in der Ästhetik ist. Etwas mehr Objektivität bei der Analyse der anderen Meinungen wäre angebracht. Bei den Gegenargumenten scheint es auch manchmal so, als wäre ihm die Munition ausgegangen - den Subjektivismus aufgrund von grammatischen Problemen als erledigt zu betrachten, erscheint mir als etwas gewagt. Ein Subjektivist würde ausserdem manche Argumente Kutscheras genausowenig gelten lassen, wie dieser Einwände gegen den Objektivismus - auf den Standpunkt kommt es an. Auch klingt seine Ansicht am Schluss etwas nach dem elitären Subjektivismus - die objektiv richtige Ansicht ist die von Kennern, die sich mit der Materie auseinandergesetzt haben und da Kutschera selber ein Kenner ist, ist eben seine Meinung die richtige.
Kutscheras Meinung, dass ästhetische Aussagen kognitiv sind, teile ich nicht. Der Ansatz von Ogden und Richards, dass Wörter auf zwei verschiedene Arten benutzt werden, ist interessant, und auch die beiden Arten zur Betrachtung eines Bildes, nämlich zum einen es bloß als Stimulus zu betrachten und erst später zu interpretieren, erscheinen mir als plausibel. Humes Ansicht vom elitären Subjektivismus ist mir zu elitär - wenn ein Kunstkenner einen guten Überblick über alle Epochen der Kunst haben muss, wird es immer weniger Kunstkenner geben, weil es ja immer mehr Epochen gibt und immer mehr Kunst überliefert wird. Auch Kants Meinung vom kollektiven Subjektivismus ist mir etwas suspekt - diese Erkenntniskraft, die alle Menschen teilen bzw. die Tatsache, dass ästhetische Urteile allgemeingültig sind, hat etwas Mystisches.
Obwohl die Ansicht überholt sein mag, favorisiere ich doch den Nichtkognitivismus - ästhetische Aussagen haben keinen Wahrheitswert, sondern sie sind expressiv, Empfehlungen, Ausdruck eines Lebensgefühls. Ästhetische Urteile mögen übereinstimmen, aber sie tun es nicht immer, und ein Mensch kann seine Meinung über ein Kunstwerk im Laufe des Lebens ändern. Bei der Bewertung von Kunst spielt viel Subjektives eine Rolle: das Wissen und die Situation des Einzelnen sind hierbei die wichtigsten Aspekte. Wenn ich zwei scheinbar identische Bilder von Jackson Pollock sehe, mag ich mich wundern, aber ich werde sie beide ähnlich bewerten. Weiss ich aber, dass das eine eine akribische Kopie eines anderen Künstlers ist, so bewerte ich sie unterschiedlich. So können zwei fast identische Gegenstände ästhetisch anders bewertete werden - also können ästhetische Eigenschaften nicht Eigenschaften des Objekts sein, sondern sie entstehen in der Vorstellungswelt des Subjekts.